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Die Unterbrechung des Gedankens im Dialog

Angesichts der Corona-Krise ist die Klimakrise temporär aus dem Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Was die beiden Herausforderungen gemeinsam haben: Sie zwingen uns, in größeren Zusammenhängen zu denken, nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten. Batesons »Steps to an Ecology of Mind« ist eines der Bücher, die im Kontext der Ökologie-Diskussionen wieder aus den Regalen hervorgeholt wurden. Im ersten Teil überrascht es durch eine unübliche Form: Metaloge, d.h. »Konversationen über ein problematisches Thema, die in ihrer Form das Problem widerspiegeln« – soweit Batesons Definition.

Er selbst führt die Gespräche mit seiner Tochter. Beim Lesen sehe ich mich immer wieder in Beratungssituationen versetzt: Da wird in sehr anschaulicher Weise vorgeführt, wie komplex und reich das Nebeneinander und Miteinander von Spiel und Ernst sein kann oder wie Humor gelegentlich ein Vehikel ist, um sich auf Unsicherheit einzulassen. Es wird deutlich, wie Unterbrechungen zur Neuordnung einer Einschätzung einladen können, weil es manchmal die fixfertigen Formulierungen sind, die daran hindern, eine Sichtweise zu transformieren oder einen blockierten Gedanken wieder in Bewegung zu bringen. Es zeigt sich, wie sich in der Gegenüberstellung von zwei Gesichtspunkten eine für beide Gesprächsparter*innen neue Perspektive ergeben kann.

 

Wie widerspiegelt sich in der Form eines solchen Metalogs die Form komplexer Probleme? Und weshalb geht es dabei nicht nur um Gesprächsführung in Beratungssettings?

Probleme, die uns der Auseinandersetzung würdig erscheinen, sind komplex und vieldimensional, darin unterscheiden sich persönliche Probleme nicht grundsätzlich von der Klimafrage oder Corona. Was Batesons Metaloge vorführen, könnte man die Unterbrechung des Gedankens im Dialog nennen, und ich verstehe diese Unterbrechung als Möglichkeit, mit komplexen Problemen oder Themen umzugehen. Denn Komplexität können wir eben grade nicht im Zug eines linearen Gedankens erfassen. Und wenn wir genau das zu tun glauben, täuschen wir uns – wahrscheinlich immer, jedenfalls meistens.

Natürlich sind zusammenhängende Argumentationen nützlich. Sie erlauben uns, Situationen überzeugend zu erfassen. Aber schlüssige Argumentationen konstruieren wir unter anderem auf der Basis von Aus-Schlüssen. Diese an sich sinnvolle Reduktion erlaubt uns, den Überblick zu behalten oder uns nicht im Problem zu verlieren. Manchmal erscheint sie daher als Problemlösung auf den Welt- oder Beratungsbühnen. Und diese Vorstellungen haben ihren Reiz.

Gleichzeitig produziert diese Reduktion blinde Flecken. Und wenn wir vom Weg abkommen, den die Argumentation aufzeigt, tappen wir plötzlich im Dunkeln. Wenn das Licht eines anderen Denkzusammenhangs auf sie fällt, können meine blinden Flecken aber plötzlich sichtbar werden. Und es können zusätzliche Aspekte erscheinen, weil die Elemente des Gedankens oder der Erfahrung anders ausgewählt sind. Um diese neuen Aspekte zu integrieren, muss ich die Komponenten meines eigenen Gedankens neu konstellieren. Und vielleicht ist das sogar ein Anlass, mein Verhalten zu verändern.

Dass solche Transformationen auch Brechungen und Brüche beinhalten, erhöht ihre Nützlichkeit im Umgang mit dem Vieldimensionalen, wie es uns im Klimawandel oder in den Auswirkungen eines Virus entgegentritt.

Und ja: Auch kleinere Transformationen wie die Verbesserung von Zeit- oder Projektmanagement sind manchmal effizienter und nachhaltiger, wenn die »Probleme« nicht in einer linearen Argumentation wegrationalisiert, sondern dort umgestülpt werden, wo sie speckig oder ausgetrocknet vom Glätten sind. Vielleicht brechen sie dabei oder fasern aus. Batesons und Marys Metalog über die Umrisse von Dingen könnte an dieser Stelle einsetzen.

 

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